13. Mär 2013
Kolumne in der bz vom 3.6.2013 Im Herbst soll die Zollfreistrasse provisorisch eröffnet werden. Ein veraltetes Projekt wird realisiert, obwohl andere in anderen Beispiele Strassen durch Naturgebiete zurückgebaut und nicht gebaut werden.
Die
Basler Behörden haben den Verantwortlichen in Freiburg kürzlich
erklärt, sie wollten nicht mehr länger warten. Damit wird ein lang
umkämpftes Projekt Realität, obwohl es aus heutiger Sicht die
schlechteste aller Lösungen ist. Denn das Projekt entspricht nicht nur
nicht mehr der heutigen Verkehrssituation, es liegt auch sonst völlig
quer in der Landschaft. Doch niemand hatte vor Baubeginn mehr den Mut,
es zu beerdigen und die Verkehrsprobleme mit langfristigen und
menschenfreundlichen Lösungen anzugehen.
Vereinbart in einem Staatsvertrag von 1852 zwischen dem
Grossherzogtum Baden und der Schweiz, war die Zollfreistrasse für die
Schweiz zuerst Gelegenheit, Zugang zum anderen Wieseufer zu bekommen.
Doch wurde man sich damals über die Strassenführung nicht einig. Immer
wieder flammte die Diskussion über den Bau auf. Die Verkehrsbelastung
nahm zu und als Entlastungs- und Verbindungsstrasse zwischen Weil und
Lörrach bekam die Zollfreistrasse einen neuen Sinn. Doch der Widerstand
aus Umweltkreisen wuchs ebenfalls. Die Strasse zerschneidet die
ehemalige Auenlandschaft an der Wiese, eines der letzten naturnahen
Gebiete im Stadtkanton. Dort wohnen Vogelarten wie der Orpheusspötter,
der Fitis, Sumpfrohrsänger und Neuntöter, und man kann den Wendehals,
den Pirol, die Nachtigall, Waldohreule oder das Lachen des Grünspechts
hören. Tausende nutzen das Naherholungsgebiet zum Velofahren, Spazieren,
Inline-Skaten und Picknicken. Das gesamte Wieseufer ist im kantonalen
Inventar für schützenswerte Naturobjekte enthalten, ist Teil des
Landschaftsparks Wiese und eine wichtige Vernetzungsachse für Tiere und
Pflanzen.
Doch trotz grossen Widerstands – einer Demo auf dem Marktplatz mit
über 2000 Personen, Zeltcamps, Briefaktionen an Bundesrat Leuenberger,
einer Sondersitzung des Grossen Rats und schliesslich 58 Prozent der
Stimmen für die Wieseinitiative zum Schutz des Wieseufers – hat niemand
die Notbremse gezogen. Die Sachzwänge überwogen den gesunden
Menschenverstand. Dabei ginge es auch andersrum. Der Kanton Genf zum
Beispiel hat letztes Jahr eine Verbindungsstrasse zwischen Frankreich
und dem Dorf Mategnin kurzerhand zurückgebaut. Sie führte quer durch das
wertvolle Moorgebiet Marais de Mategnin und belastete die Gemeinde mit
Pendlerverkehr. Heute spazieren Familien auf einem Mergelweg durch das
Moor und geniessen die Natur. Für den Verkehr ist die Strasse gesperrt.
Auch die Zollfreistrasse wird in einigen Jahren nicht mehr die Entlastung bringen, die sich Riehen heute erhofft. Mehr Strassen bringen mehr Verkehr und nicht weniger. Wer von Weil nach Lörrach will, hat bereits eine Autobahnverbindung. Ausser einem veralteten Staatsvertrag gibt es heute keinen Grund, mehr als 70 Millionen Euro für 730 Meter Strasse und die Zerstörung eines kleinen Flecks Natur auszugeben. Gut möglich, dass wir in 20 Jahren erneut viel Geld ausgeben, um rückgängig zu machen, was wir heute zerstören. So wie es Genf bereits gemacht hat.