Wo leben wir da?

30. Nov 2009

Das fragen sich heute 43% der Wählerinnen und Wähler, die ein solches Resultat wohl kaum für möglich gehalten hätten. Ich frage mich aber vor allem folgendes: Wo sind die JA-StimmerInnen? Kaum jemanden habe ich getroffen, der sich für die Minarett-Initiative aussprach. Und die Umfragen bestätigten diese Wahrnehmung: nicht einmal 40% der Befragten haben angegeben ja zu stimmen. Wo sind sie denn? Warum trauen sie sich in Umfragen nicht, ihre Meinung zu äussern?

Den vielen vielen nicht SVP-Wählenden, die in dieser Abstimmung trotzdem ja gesagt haben, ist offenbar klar, dass die Vorlage vor dem internationalen Menschenrechtsgericht nicht standhalten würde. Sie wissen, dass ein Verbot von Minaretten der Religionsfreiheit widerspricht und eine Minderheit in unserem Land diffamiert. Sonst hätten sie es ja zugeben können. Und trotzdem haben sie alle ja gestimmt. Wahrscheinlich ja zum Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen, ja zum Kampf gegen Hassprediger, ja, weil sie Angst vor radikalen Islamisten haben. Aber niemand, den ich kenne, würde diesen Ängsten nicht zustimmen. Haben die ja-Stimmer begriffen, dass sie über eine Baurechtsvorlage abstimmen? Und nicht über die Scharia, nicht über die Auslegung des Islams und nicht über Terroristen?

Mich macht dieses Resultat wütend. Die Initianten haben es tatsächlich geschafft den Inhalt der Initiative irrelevant zu machen. Das Verbot von Minaretten wird keine einzige Frau vor Unterdrückung schützen, keinen einzigen Hassprediger zur Vernunft bringen und keinen einzigen davon abbringen sich zu radikalisieren. Es wird nur dazu führen, dass die Integration der muslimischen Mitmenschen in der Schweiz um Jahre zurückgeworfen wird, dass wir im Ausland nicht mehr als offenes und neutrales Land wahrgenommen werden und dass wir hier in der Schweiz nicht mehr stolz sein können auf unsere Religionsfreiheit.

Noch etwas zu all denen, die sich jetzt schämen SchweizerIn zu sein. Hört auf damit! Wer sich schämt, überlässt den Ja-Stimmern das Feld. Ich bin weiterhin stolz auf meine Schweiz. Die, welche heute auf dem Marktplatz und in der ganzen Schweiz unzählige Minarette gebaut hat und die, welche den Schweizer Hasspredigern nun die Stirn bietet und sich weiterhin für eine offene, solidarische und multikulturelle Schweiz einsetzt.