04. Aug 2012
Der Kommentar in der Basellandschaftlichen Zeitung zum Mobilitätswahn der Bevölkerung während der Sommerferien. Kaum ist der Bündelitag da, ist die Stadt leer, die Zeitungen werden dünn und im Büro wird es ruhig. Was soll man da noch in Basel tun?
Doch für mich sind die Sommerferien beinahe die schönste Zeit des Jahres in Basel. Ein paar Gründe, warum es sich lohnt, die Ferien auf dem Balkon oder in dessen Umgebung zu verbringen: Basel in dieser Zeit zu erleben, ist ein völlig anderes Gefühl. Es herrscht eine gelassene Entspanntheit und trotzdem wird es nie langweilig. Es ist die Zeit, um neue Perspektiven zu entdecken. Ich grilliere zum Beispiel wieder einmal mit Freunden an der renaturierten Wiese. Ich fahre mit dem Velo in die grenznahe Petite Camargue, um Vögel zu beobachten. Ich schwimme im Rhein, fahre Fähre und gehe ins Solar-Open-Air-Kino auf dem Petersplatz. Ich nehme das Feierabendbier an einer der neuen Buvetten und dabei staune ich, wie viele Touristen von weit her zu uns kommen, um ihre Auszeit hier zu verbringen. Letztes Jahr waren es über eine Million Logiernächte. Basel muss schön sein. Ich entdecke es selber wieder einmal und fühle ich mich wie in den Ferien. Auch ich finde Basel schön.
Die eigene Stadt zu kennen, ist ein Grund. Meine Verbundenheit mit
Basel steigt, wenn ich mich hier sowohl zu Hause als auch in den Ferien
fühle. Zieht es mich doch mal weg, so mache ich Wochenendausflüge: eine
Velotour im Jura, Pilze sammeln in den Voralpen oder einfach mal im Zug
durch die Schweiz fahren. Die stressfreie Zeit zu Hause geniessen
steigert meine Lebensqualität ungemein.
Doch trotz all dem zieht es uns Schweizerinnen und Schweizer immer
weiter weg in den Ferien. Während 1970 1500 Personen nach Australien in
die Ferien reisten, waren es 2002 bereits 42000. Nach Thailand hat sich
die Anzahl Reisende aus der Schweiz in dieser Zeit auf 128500
verzehnfacht. Dieser ungebremste Mobilitätswahn heizt zusätzlich die
Atmosphäre auf. Nur 16 Prozent der Reisen ins Ausland werden mit dem öV
gemacht, der Rest mit dem Flugzeug oder dem Auto. Die Klimaerwärmung
schreitet fröhlich fort. Der aktuelle Sommer ist ein typisches Beispiel,
wie sie sich auf die Schweiz auswirken kann: warme Nächte, mehr Wolken.
Brauchen wir diese unzähligen Flugmeilen und verpufften CO2-Tonnen wirklich, um glücklich zu sein? Offenbar haben wir heute das Gefühl, die ganze Welt gesehen haben zu müssen. Wer nach den Ferien keine Strandgeschichten oder Safari-Tour auf Lager hat, wird zuerst einmal bemitleidet. Doch wenn ich meine Erlebnisse von den spielenden Füchsen, der Nacht unter freiem Sternenhimmel oder dem Bräteln am Lagerfeuer erzähle, so höre ich manchmal ein wenig Sehnsucht. Vielleicht ist es die Sehnsucht nach dem Zuhause. Wir vergessen, dass es in nächster Nähe viel zu erleben und zu entdecken gibt.
Wer jetzt denkt, das sei die Moralpredigt einer Ökoterroristin, liegt falsch. Das ist ein Aufruf, sich zu besinnen und abzuwägen; zwischen Preis, Transportmittel, Reisedauer, Stress- und Abenteuerfaktor, Bequemlichkeit und Umweltüberlegungen. Letztere dürfen dabei auch ein bisschen höher gewichtet werden als bisher. Balkonien kommt da in meiner Berechnung ziemlich weit oben.