Macht grüne Politik glücklich?

29. Sep 2010

Es ist eine ausgesprochene Seltenheit, dass aktive Politiker in Buchform die Grundlagen ihrer Arbeit und ihres Engagements offenlegen. Mit „Green Change. Strategien zur Glücksmaximierung“, in diesem Jahr im Zytglogge-Verlag erschienen, hat Bastien Girod ein Buch geschrieben, dessen Lektüre nicht nur für grüne Aktivisten wertvoll ist. Es ist auch geeignet, grüne Positionen unter einem neuen Gesichtspunkt einem breiten politisch interessierten Publikum nahezubringen.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Es beginnt mit dem Engagement, mit Aktionen und Ideen der jungen Grünen und mit der ganz persönlichen Erzählung, wie aus dem Greenpeace-Aktivisten Girod ein Nationalrat wurde. Dieser Teil macht klar, was den Autor glücklich macht: grüne Politik.

Der zweite Teil analysiert gesellschaftliches und individuelles Glück und wie es entsteht. So wird zum Beispiel nachgewiesen, dass Leute durchschnittlich ab einem monatlichen Einkommen von 15'000.- nicht mehr massgeblich glücklicher werden; das materielle Glück hat also Grenzen. Und dass das Bruttosozialprodukt kein geeigneter Indikator für den Glückszustand einer Gesellschaft darstellt. Hingegen können Gesundheit, Selbst- und Mitbestimmung, Beziehungen und intakte Natur das Glücksempfinden weiter steigern.

Girod beschäftigt sich auch mit den Faktoren, die unser Glück schmälern. Als Erklärungsmodell dient das überall auftretende „Gefangenendilemma“: Eine/r tut etwas, weil er/sie sich damit einen Vorteil verschaffen kann, worauf alle anderen es auch tun und sich damit in einen kollektiven Nachteil stürzen. Als Beispiel wird die Offroader-Problematik dargestellt: „Der einzelne Autofahrer hat einen Vorteil durch den Kauf eines Offroaders: Er kann damit angeben, und im Falle eines Unfalls mit einem anderen Personenwagen sind seine Überlebenschancen höher. (…) Wenn nun aber viele andere Automobilisten ebenfalls einen Offroader fahren, schwinden die genannten Vorteile dahin und es erwachsen allen lediglich die Nachteile.“ Aber bei den meisten Umweltproblemen handelt es sich um Gefangenendilemmas. Die Versuchung, einen individuellen Vorteil zu ergattern, wird  dabei noch verstärkt, weil es sich meist um öffentliche Güter handelt, welche zudem noch gratis sind. Luft kann verschmutzt werden, Wälder abgeholzt und Wasser verseucht, und wer es am skrupellosesten tut, macht den grössten Profit. Viele dieser Gedankengänge stützen sich übrigens auf die Glücksforschung des Ökonomieprofessors Bruno Frey von der Universität Zürich.

Der dritte Teil widmet sich der Frage, wie wir aus diesen Dilemmas herauskommen. Das Rezept heisst Nachhaltigkeit. Alle wissen zwar, wie Nachhaltigkeit schmeckt, doch wie man sie kocht, ist vielen noch unbekannt. Und hier spricht Bastien Girod der grünen Politik eine Vorreiterrolle zu. Ökologische Wirtschaft, umweltneutrale und intelligente Produkte, grüne Energieversorgung. Das ist alles zwar nicht neu, aber Girod zeichnet den konkreten politischen Weg auf, wie wir dorthin kommen. Es werden Allianzen vorgeschlagen: grün-liberale Allianzen (Kooperation mit Wirtschaft und anderen Parteien), grün-soziale Allianzen (Kooperation mit Entwicklungshilfeorganisationen, sozialen Institutionen, etc.) und grün-konservative Allianzen – wobei konservativ als ‚bewahrend’ zu verstehen ist (zum Beispiel kirchliche Institutionen, Naturschutzorganisationen). Hier dürften sich die Geister denn auch bei uns Grünen scheiden: Mit wem gehen wir welche Allianzen ein, und zu welchen Kompromissen sind wir bereit, um wiederum andere Erfolge zu erzielen? Diese Diskussion werden wir immer und immer wieder führen müssen – sie macht Politik spannend.

„Green Change“ ist ein spannendes und leicht zu lesendes Buch für PoliteinsteigerInnen, aber auch für alte Füchse, die den frischen Wind spüren wollen, der in der Partei weht. Und es ermutigt uns alle, uns weiterhin mit voller Kraft für grüne Politik zu engagieren.